Erstinstanzlich verurteilter Lokführer der Unfalllok nunmehr freigesprochen

Beim Landgericht Koblenz fand am 21. April 2015 die mündliche Hauptverhandlung im Rahmen des Berufungsverfahrens gegen zwei Lokführer und einen Heizer statt, die an einem Unfall beteiligt waren, bei dem am Ostersamstag des Jahres 2010 ein junger Museumsbahner zu Tode gekommen war.

Zur Erinnerung: Beim Dampfspektakel 175 Jahre deutsche Eisenbahnen überhörte im Bahnhof Ulmen an der Strecke Kaisersesch – Gerolstein der 17jährige Martin L., der bei einer Reparaturarbeit am linken Einströmrohr der Lok 52 8134 assistiert hatte, ebenso wie sein Heizerkollege den im Nachbargleis herannahenden und mit der Lok Hannover 7512 bespannten Zug. Trotz Achtungssignal und Schnellbremsung wurde L. von der Lok erfasst und getötet, sein Kollege erlitt Verletzungen.

In der anschließenden Gerichtsverhandlung beim Amtsgericht Cochem im November 2012 wurde der Lokführer der Hannover 7512, Jochen S., ebenso wie der Lokführer und der Heizer der 52 8134, Karl S. und Heiko B., schuldig gesprochen und zu Geldstrafen verurteilt. Alle drei Verurteilten sowie die Staatsanwaltschaft legten gegen das Urteil Berufung ein. Zwar hatte damals der Vorsitzende Richter bereits die Rücknahme der Berufung anheimgestellt, doch wollten die Anwälte der angeklagten Lokpersonale dem nicht folgen – eine, wie sich jetzt herausstellte, zumindest teilweise richtige Entscheidung.

Von besonderer Bedeutung in der Berufungsverhandlung waren die Ausführungen des Sachverständigen Winfried S., der als Gutachter geladen war. Sie waren von großer Sachkunde geprägt. S. wies unter anderem nachdrücklich darauf hin, dass beim Eisenbahnbetrieb sich ein Lokführer darauf verlassen können muss, dass das vor ihm im Verlauf einer Zugfahrt liegende Gleis frei und befahrbar ist – ein wesentlicher und von Laien oft nicht angemessen gewürdigter Unterschied zum Straßenverkehr, der womöglich in der erstinstanzlichen Verhandlung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wurde. Auch muss ein Lokführer darauf bauen können, dass Eisenbahner, die vielleicht durch eine Zug- oder Rangierfahrt gefährdet werden könnten, sich regelgerecht verhalten.

Im vorangegangenen Verfahren spielte die von der Hannover 7512 gefahrene und die an der Unfallstelle zulässige Geschwindigkeit eine Rolle. Letztere war in den Fahrplanunterlagen mit 40 km/h, in der Sammlung betrieblicher Vorschriften (SbV) hingegen mit 30 km/h ausgewiesen, doch wurde letztlich festgestellt, dass eine SbV nicht zu den betrieblichen Unterlagen gehört, die einem Lokführer unmittelbare Anweisungen für die an einem konkreten Ort zu fahrende Geschwindigkeit gibt.

Unklar blieb trotz intensiver Befragung des als Zeuge geladenen damaligen Betriebsleiters Dirk N. die Rolle des örtlichen Betriebsbediensteten (öBb) sowie dessen Einbindung in den Zugleitbetrieb und die betrieblichen Abläufe im Bahnhof Ulmen. Der öBb konnte wegen eines ärztlich attestierten Gedächtnisverlustes nicht als Zeuge vernommen werden, doch wurde auch ohne seine Aussage klar, dass es organisatorische Mängel vor Ort gegeben haben muss, die indirekt mit zu dem Unfall beigetragen hatten.

In den Plädoyers schloss sich sogar die Staatsanwältin für den Lokführer der Hannover 7512 den Plädoyers der Anwälte auf Freispruch an, und auch die als Nebenkläger auftretenden Eltern des getöteten Martin L. sahen dies als gerechtfertigt an. Jochen S. wurde dann vom Gericht auch tatsächlich freigesprochen, für das Personal der 52 8134 erkannte das Gericht aber unverändert deren Schuld und bestätigte das erstinstanzliche Urteil, in dem die beiden zu 40 und 60 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt worden waren. Bestimmend hierfür waren nach Ansicht des Gerichts die fehlenden Schutzmaßnahmen gegen die zu erwartende Zugfahrt im Nachbargleis, die vom Lokpersonal zu ergreifen bzw. von diesem beim Zugleiter zu veranlassen gewesen wären.

Es bleibt die Trauer um den zu Tode gekommenen Kollegen und die erneut bestätigte Erkenntnis, dass es meist vieler ineinander verzahnter Ursachen bedarf, um solch einen tragischen Unfall herbeizuführen.

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